
Am 11. März 1938 übernahmen die Nationalsozialisten die Macht im Burgenland.
Auch NS-Funktionäre und Anhänger aus Frauenkirchen waren bei der
Machtübernahme in Eisenstadt dabei und kehrten am Abend in den Ort zurück. Die Nationalsozialisten übernahmen die Gemeindegeschäfte und die Polizeistation und starteten noch am selben Abend die ersten Einschüchterungsaktionen und Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung.
Am 13. März wurden die Jüdinnen und Juden verhaftet und im „Schlössel“, wo ein
Internierungslager eingerichtet worden war, mehrere Tage eingesperrt. Dort wurden
sie misshandelt, ihrer Papiere beraubt und mussten ihr Vermögen deklarieren. In den
nächsten Tagen folgten Terror, Einschüchterung, Demütigungen, Boykott der
Geschäfte und Diebstahl. Die jüdischen Geschäfte und Häuser wurden von der
Gestapo abgeschlossen und versiegelt.
In den folgenden Tagen wurden diese Geschäfte des Öfteren von örtlichen NS-
Mitgliedern und Mitläufern teilweise unter Aufsicht der Ortsgendarmerie wieder
aufgebrochen und ausgeraubt. Zudem begannen Gestapo-Leute und örtliche NS-
Funktionäre Hausdurchsuchungen bei der jüdischen Bevölkerung durchzuführen und
Wertsachen zu konfiszieren.
In den folgenden Tagen wurde die männliche jüdische Bevölkerung von
Gestapobeamten verhört und auch mittels Gewalt dazu gezwungen, eine
Vermögensverzichtserklärung abzugeben. Zudem wurde ihnen aufgetragen, das
Deutsche Reich innerhalb von 14 Tagen zu verlassen, was jedoch undurchführbar
war, da die Nachbarländer bereits die Grenzen für Juden geschlossen hatten. Am 26.
März verhaftete die Gestapo zehn der wohlhabenderen Familien, ungefähr 60
Personen, und trieb sie über die ungarische Grenze, wo sie tagelang im
Niemandsland umherirrten.
Den von örtlichen Parteiformationen gelenkten, „wilden“ Ausschreitungen vom März
1938 folgten nun die von oberer Stelle organisierten Maßnahmen zur Zerstörung der
jüdischen Gemeinden. Diese trugen vielfach die Handschrift des Gauleiters Tobias
Portschy, der in einer Rede am 25. März 1938 ankündigte, dass die „Juden aus der
Deutschen Volksgemeinschaft ausgeschlossen würden“. Früher als in anderen
Bundesländern kam es im Burgenland zu Enteignung, Vertreibung und Deportation
jüdischer Familien.
Ende April 1938 erhielten weitere 60 jüdische Familien aus Frauenkirchen die
Aufforderung, ihren Heimatort innerhalb von 14 Tagen zu verlassen. Nachdem
vergeblich versucht worden war, Aufnahmeländer für die Frauenkirchner Juden zu
finden, wurden sie unter Zwang nach Wien ausgesiedelt. Bis Ende Juni erhielten die
letzten noch verbliebenen Juden ihre Ausweisungsbefehle zugestellt. Mit nur kleinen
Gepäcksstücken mussten sie sich am Bahnhof einfinden, um dort auf Viehwaggons
geladen zu werden. Bewohner mit ungarischer und slowakischer Staatsangehörigkeit
wurden weiter über die Grenzen abgeschoben.
Am 13. August 1938 meldete das Gendarmerieposten Kommando Frauenkirchen,
dass sich noch drei Judenfamilien und eine Jüdin in Frauenkirchen befänden. Unter
den noch Verbliebenen war die Apothekerfamilie Sugar, der von der Gestapo die
Abwanderung erst erlaubt wurde, wenn ein neuer Apotheker gefunden werden
konnte. Kurze Zeit später waren bereits alle jüdischen Bewohner vertrieben.
Die jüdische Gemeinde, die seit 1678 260 Jahre in Frauenkirchen bestanden hatte
und für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwung der Marktgemeinde
verantwortlich war, wurde in nur fünf Monaten Naziherrschaft ausgelöscht. (©
Herbert Brettl)
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