Der größte Teil der jüdischen Bevölkerung in Frauenkirchen war als Händler tätig. Handwerksberufe wurden auf Grund von zahlreichen Vorschriften und Verboten zunächst kaum von Juden ausgeübt. Eine Beschreibung aus 1754 ergibt, dass die meisten bescheiden bis armselig lebten und als Botengänger oder kleine Hausierer ihre Existenz fristeten. Die jüdischen Geschäfte handelten zumeist mit Schnitt- und Tuchwaren, auf die sie praktisch ein Monopol hatten.
Beginnend mit dem Toleranzpatent Josefs II. im Jahre 1783 begann die Zeit der
allmählichen Gleichstellung. Den Juden wurden mehr Rechte eingeräumt, sie wurden
zu allen Berufen zugelassen. 1860 wurde den Juden in Ungarn der Grunderwerb
bzw. die Aufenthalts- und Niederlassungsfreiheit gewährt, was zu einer
Migrationsbewegung nach Wien führte. Die völlige Gleichstellung erfolgte 1867 durch
das Staatsgrundgesetz.
Die jüdischen Kaufleute nützten die neuen Rechte, ergriffen neue Handels- und
teilweise Handwerksberufe und agierten wirtschaftlich oft sehr erfolgreich. Bestimmte
Branchen, z.B. den Textil- und Schnittwarenhandel, Brenn- und
Baumaterialienhandel, Frucht- und Viehhandel oder Schuh- oder Lederhandel
bestimmten die Juden in Frauenkirchen vollkommen.
Ebenso entstammten alle drei Ärzte und der Apotheker in Frauenkirchen der
jüdischen Bevölkerung. Während die vermögenden Familien gut eingerichtet und
modern geführte Geschäfte in der Franziskaner- und Hauptstraße betrieben, lebten
die Bewohner im ehemaligen Judenviertel in sehr bescheidenen Verhältnissen.
Frauenkirchen wurde durch den Handelsaufschwung zum Versorgungszentrum der
Region.
Die Familie Neufeld gehörte zu den alteingesessenen jüdischen Familien in
Frauenkirchen, die bereits um 1800 erwähnt werden. In der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts baute Leopold Neufeld einen Getreidehandel auf. Seine Gattin Netti
betrieb einen kleinen Schnittwarenhandel in der Franziskanerstraße 5, wo sich auch
der Wohnbereich befand. Ihre Tochter Sidonia heiratete 1916 den aus Tyrnau
stammenden Rechtsanwalt Adalbert/Béla Detre, der als Proviantoffizier im
Kriegsgefangenenlager Frauenkirchen seinen Dienst versah.
Während sich Leopold Neufeld in weiterer Zeit zunehmend in der Kultusgemeinde
engagierte und dieser auch lange Zeit als Vorstand zur Verfügung stand, führten sein
Sohn Ladislaus und sein Schwiegersohn Béla Detre den Getreidehandel weiter.
Unter ihrer Führung entwickelte sich das Unternehmen zu einem modernen und
profitablen Betrieb. Die Familie investierte vorausblickend in ein großes
Getreidelager und konnte so die Wirtschaftskraft des Betriebes noch weiter steigern.
Um jede Woche nach Wien an die Börse fahren und die Trends besser vorhersehen
und bei den Bauern der umliegenden Dörfer Getreide ankaufen zu können, erwarb
Béla Detre, als einer der ersten in Frauenkirchen, ein eigenes Auto.
Die Familie Neufeld-Detre zählte vor 1938 zu den vermögendsten im Ort. Nach dem
plötzlichen Tod von Béla Detre 1937 stiegen seine beiden Söhne Ifshaz/Emmerich
1917 und Chaim/Johann in den Familienbetrieb ein.
Nach dem Umsturz 1938 versuchten die Nationalsozialisten umgehend, sich den
Betrieb und das Vermögen anzueignen. Der auf über 150.000 RM geschätzte
Betrieb, der Aktienbesitz, der Schmuck, das Auto und das Motorrad wurden
der Familie gestohlen. Das Haus der Familie Neufeld diente in den nächsten
Jahren der NSDAP-Frauenkirchen als Parteiheim.
Die Mitglieder der Familie Neufeld-Detre wurden nach Wien vertrieben. Während
Ladislaus Neufeld, seiner Schwester Sidonie Detre und ihren beiden Söhnen die
Ausreise nach Palästina gelang, wurden Leopold und Anna Neufeld in Auschwitz
ermordet.
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