


Wenn Sie die Straße von Frauenkirchen Richtung Podersdorf am See fahren, dann entdecken Sie nach 500 Meter am rechten Straßenrand ein Hinweisschild zum Gefangenenfriedhof Frauenkirchen.
Erleben Sie durch Ihren Besuch einige Zeit des Erinnerns und Gedenkens…
Am Eingang zum Friedhof steht eine Informationstafel in 5 Sprachen ausgeführt.
Der Erste Weltkrieg und die Kriegsgefangenschaft
In Österreich-Ungarn befanden sich während des Krieges zwischen 1,2 und 1,8 Millionen Gefangene, die entsprechend Haager Konvention/Landkriegsordnung von 1899 bzw. 1907 als Kriegsgefangene zu behandeln war. Österreich-Ungarn hatte sich sich dazu verpflichtet, für den Unterhalt der Gefangenen aufzukommen und diese hinsichtlich Kleidung, Unterkunft und Nahrung in gleichem Maße zu versorgen wie die eigenen Truppen.
Auf- und Ausbau des Lagers Boldogasszony/Frauenkirchen
In kürzester Zeit wurden in der Monarchie ab Herbst 1914 an die 50 Kriegsgefangenenlager im Hinterland errichtet. Für den Standort Frauenkirchen sprach sicherlich die Anbindung an die Bahnlinie.
Die Errichtung des Kriegsgefangenenlagers in Boldogasszony/Frauenkirchen begann bereits im September 1914, wobei dafür russische Gefangene herangezogen wurden. Die aufgestellten Wohnbaracken waren etwa 40 m lang, 10 m breit und 4-5 m hoch. In jeder fanden zunächst 400 Mann, im Winter 1914/15 bis zu 600 Gefangene, Unterkunft. In weiterer Folge wurde das Lager Boldogasszony zunehmend aus- und umgebaut. Ab 1916 befanden sich rund 30.000 Gefangenen im Lager, wobei sich jedoch rund 2/3 der Gefangenen auf Arbeitseinsatz außerhalb des Lagers befanden.
Infrastruktur des Lagers
Das Trinkwasser des Lagers stammte aus einem Grundwasserbrunnen, der rund 2,5 Kilometer vom Lager entfernt war. Für den Strom sorgte eine kleine Kraftanlage, die aus einem Dampflokomobil und zwei kleinen Generatoren bestand. Um den Transport der Waren und Menschen vom Bahnhof zum Lager und im Lager zu erleichtern, gab es eine schmalspurige Feldbahn, die direkt mit der Eisenbahnhauptlinie verbunden war.Für die Verpflegung gab es 12 Küchen.
Bewachung
Mit der Bewachung des Lagers Boldogasszony wurde das königlich-ungarische XIV. Landsturm-Wachbataillon betraut. Die Anzahl der Wachleute im Lager Boldogasszony schwankte zwischen 300 und 1.200 Mann und zwischen 13 und 26 Offizieren. Die Einquartierung des Wachbataillons erfolgte zunächst in Frauenkirchen. Mit dem Ausbruch der Flecktyphusepidemie 1915 wurden die Wachmannschaft und die Offiziere aus Angst, die Seuche könnte sich im Ort ausbreiten, in Baracken neben dem Lager untergebracht.
Gefangene
Die Gefangenen wurden je nach Heimatland und Religion einer Baracke zugeteilt. Befanden sich beim Aufbau vielfach russische Gefangene im Lager, so wurde bereits im Herbst 1914 das Lager zu einem serbischen Kriegsgefangenenlager umfunktioniert. Es wurden jedoch immer wieder auch Gefangene anderer Nationen im Lager interniert. Das Kriegsgefangenenlager Boldogasszony war seit seinem Bestehen zugleich auch ein Internierungslager. Die deportierten Zivilpersonen im Lager waren Männer, Frauen und Kinder aller Altersgruppen aus Serbien, Montenegro und der Bukowina. Im Sommer 1916 wurden rund 2.500 montenegrinische Internierte ins Lager gebracht. In Frauenkirchen waren nur wenige Offiziere, zumeist Montenegriner und Italiener, in abgesonderten Baracken inhaftiert.
Leben im Lager
Der Tagesablauf der Gefangenen war straff organisiert, er bestand aus Arbeitszeiten, Ruhepausen, hygienischen Maßnahmen und Freizeit. Um die Autarkie des Lagers gewährleisten zu können, wurden im Lager Boldogasszony Werkstätten für Tischler, Schneider, Schlosser und Schuster eingerichtet. Zudem gab es Arbeit in den Küchen, in der Bäckerei, Wäscherei, Krankenbaracke, der lagereigenen kleinen Agrar- oder Viehwirtschaft und in der Lagerverwaltung.
Sanitätswesen – Flecktyphusepidemie
Die Errichtung erfolgte unter massivem Zeitdruck, sodass Missstände bei der Errichtung vorhersehbar waren. Es gab keine angemessenen Latrinen, Bade-, Desinfektions- und Quarantäneeinrichtungen und medizinisches Personal. Die mangelhaften hygienischen Vorkehrungen und die massive Konzentration von Personen auf engstem Raum führten im Winter 1914/15 dazu, dass sich Epidemien wie Flecktyphus rasch ausbreiten konnten. Die Epidemie erreichte Anfang Feber 1915 mit über 100 Todesopfern täglich ihren Höhepunkt. Zur Bekämpfung der Seuche wurden strenge Vorschriften erlassen und medizinische Geräte, Impfstoffe und Baulichkeiten, Bade- und Desinfektionsanstalten ins Lager angeliefert. Im April 1915 konnte die Seuche eingedämmt werden. Zu dieser Zeit gab es bereits 3.690 Flecktyphusopfer.
Fürsorge
Das Rote Kreuz und der „Christliche Verein junger Männer“(YMCA) sorgten sich um die Fürsorge der Gefangenen. So wurden Bibliotheken, Schulklassen, ein Kinosaal, eine Kirche, ein Orchester und eine Theatergruppe im Lager eingerichtet.
Arbeitseinsatz außerhalb des Lagers
Im Feber1915 befahl das Militärkommando den Arbeitszwang der Kriegsgefangenen zur Aufrechterhaltung der Volks- und Kriegswirtschaft. Die Gefangenen wurden zu Arbeitseinsätzen in der Land- und Forstwirtschaft, im Gewerbe, in der Industrie, im Bergbau und im Militärbereich eingesetzt. Die zugewiesenen Kriegsgefangenen wurden von den Gemeinden in Eigenregie auf die einzelnen Bauernhöfe aufgeteilt.
Auflösung des Lagers
Am 1. November 1918 befanden sich 4.034 Gefangene im Lager und 25.900 Gefangene außerhalb des Lagers im Arbeitseinsatz. Mit Kriegsende setzte die Repatriierung der Gefangenen ein und gleichzeitig wurde das Lager von den Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung geplündert. Die Baracken und Restimmobilien wurden 1919 zum Kauf angeboten, sodass vom ehemaligen Kriegsgefangenenlager innerhalb kürzester Zeit nur der Friedhofübrig blieb.
Der Lagerfriedhof
Beinahe gleichzeitig mit dem Aufbau des Lagers wurde auch der Kriegsgefangenenfriedhof angelegt. Zwischen 4.500 – 6.000 Personen wurden in Einzelgräbern und 14 Schachtgräbern, die aus der Typhusepidemiezeit stammen, beerdigt. Die österreichische Regierung betraute das „Schwarze Kreuz“ mit der Pflege und Instandhaltung des Friedhofes.
Hier findet ihr die Unterlagen für den Unterricht zum Download:
Biographien
Didaktik Biographien
Gedenkzeichen
Didaktik Gedenkzeichen
(©Dr. Herbert Brettl, Historiker & Obmann des Vereines „Erinnern I Gedenken“)
Kontakt
Podersdorfer Landesstraße
7132 Frauenkirchen